Kopie von der Webseite www.srf.ch
Ariella Kaeslins Biografie «Leiden im Licht» zeigt die unschöne Seite des Spitzensports abseits der grossen Bühne. Ihre sportlichen Erfolge fussten auf jahrelanger Schinderei, welche die ehemalige Spitzenturnerin schliesslich in eine Erschöpfungsdepression trieben.
Sportlounge SRF (öffnet neues Fenster)
Von der Öffentlichkeit geliebt, von Erfolg zu Erfolg eilend – und innerlich zutiefst unglücklich. Nicht nur Grössen aus dem Showbusiness droht die Vereinsamung im Rampenlicht, auch im Spitzensport finden solche Schreckensszenarien statt, wie die Biografie der ehemaligen Kunstturnerin Ariella Kaeslin aufzeigt.
Spitzensport bedeutet, bereits in der schwierigen Phase der Pubertät enorm viel Leistung zu erbringen. Als «fette Kuh» bezeichnete sie der frühere Nationaltrainer Eric Demay während ihren ersten Jahren in Magglingen regelmässig. Zwar erzwangen die Schweizer Turnerinnen 2007 die Entlassung des despotischen Chefcoaches, doch dieser hatte Kaeslins Charakter zu diesem Zeitpunkt bereits nachhaltig gebrochen.
Einerseits wird ein Athlet fremdbestimmt, andererseits muss er enorm selbständig sein. Den unbedingten Willen, trotz jeglicher Widrigkeiten an die Weltspitze vorzudringen, bezeichnet Kaeslins Mutter rückblickend als Dämon, den ihre Tochter seit frühster Kindheit in sich getragen habe. 2009 war es soweit: EM-Bronze im Mehrkampf bedeutete die erste Medaille einer Schweizerin bei einem internationalen Wettbewerb, und im Sprung resultierte kurz darauf sogar Gold.
Man hat keine Zeit, sich zu entwickeln und lernt vor allem, die eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken. Der Preis für den sportlichen Erfolg war hoch, sehr hoch. 2011 trat die Luzernerin überraschend zurück. Ihren Entscheid kommunizierte Kaeslin scheinbar gefasst, doch in Tat und Wahrheit zog sie die Notbremse. Auf die Erschöpfungsdepression folgten mehrere Jahre Therapie inklusive medikamentöser Behandlung.
Mittlerweile spürt sich Kaeslin wieder, hat eine normale Beziehung zur Ernährung und strahlt Lebensfreude aus – ein Erfolg, der in seiner Tragweite wohl weit wichtiger ist als die sportlichen Siege der mittlerweile 27-Jährigen.